Unterhaltung: Dominic Porter und Akkato Fürst Ulan Mestray.
„Ich kämpfe jetzt schon seit zehn Jahren auf der Seite der Akkato“, sagte Dominic Porter und rieb sich müde die Augen. Er sah kurz in die Glut des kleinen Plasmaofens zwischen sich und dem riesigen Akkato, bevor er hinauf zu den Sternen blickte, die in fremden Formationen über den Baumwipfeln glitzerten. „Ich weiß nicht viel von euch. Ich kenne zwar den Namen eurer Heimatwelt, aber noch besser kenne ich die Namen der Welten, auf denen wir gekämpft haben. Jene, die wir verloren und wiedergewonnen haben. Jene, die nun verödet sind und die weder wir noch der Feind haben will.“ Er wagte es, das Wesen, das ihm gegenüber an einem Felsen lehnte, eine Weile anzustarren. In den großen, dunklen Augen des pferdeartigen Kopfes glomm der Widerschein des künstlichen Feuers. „Nein, ich weiß nicht, wer ihr seid oder was ihr glaubt zu sein.“
„Die Akkato wurden im Jahre 30.345 vor eurer Zeitrechnung geboren“, sagte Ulan Mestray und in seiner Stimme schwang Ehrfurcht und Respekt mit. „Der Wille Otayns brachte uns hervor, auf dass die Welt sich mit Augen sehen und sich erkennen konnte.“
Porter hatte eigentlich nicht nach dem Mythos gefragt. Den kannte er mittlerweile schon. Es war so ziemlich das Erste, was er von den Akkatos erfahren hatte. Porter dachte bei seiner Frage eher an historische Tatsachen und Geschichte. „Das Jahr 30.345 vor Christus?“, wiederholte er. „Woher willst du das so genau wissen?“
„Die heiligen Chroniken lehren uns das.“ Seine Stimme verriet, dass er nicht zweifelte.
„Die heiligen Chroniken“, wiederholte Porter nachdenklich. „Wer hat sie geschrieben?“
„Der große Prophet hat sie zusammengestellt, aus den Chroniken des Hauses Kathama und den Überlieferungen der Völker Keegrook, Mohreen und den Stämmen der Steppen und Inseln zusammengestellt.“
Porters Neugier war nun doch geweckt. „Das klingt spannend.“
„Der große Vaterbaum brachte das Volk der Akkato hervor. In dem Jahr, das ich dir genannt habe.“ Ulan Mestray betonte die Worte mit Inbrunst und seine Augen glänzten noch heller im Licht des Plasmaofens, an dem sich der Mensch und der Akkato wärmten. „In der Knospe hoch oben in der Baumkrone schlief Samoor Dakaatay. Auf ihm lastete bereits das Schicksal der ganzen Welt Yanabor. Und es war so schwer, dass es die Spitze des mächtigen Vaterbaumes nach unten bog. Er neigte sich, tiefer und tiefer ohne zu zerbrechen, bis die Knospe den Waldboden berührte. Da öffnete sie sich und gebar Samoor Dakaatay, auf dem Boden des Immerwaldes, zwischen den Wurzeln der Welt. Er kralle sich in die Erde und schrie die Worte aus, die heute noch jedes Kind meines Volkes kennt. „Ich werde dich bezwingen und du wirst mein Gefährte sein!“
Dominic Porter gab sich beeindruckt. Ihm gefiel die Dualität dieser Aussage. Faszinierend verwirrend, wie jeder Mythos und doch von einer tiefgründigen Wahrheit, die das Wesen aller denkenden Kreaturen beschrieb.
„Danach schnellte die Krone des Baumes zurück“, erklärte der Akkato weiter und machte eine beschreibende Geste, mit seinen langen Armen. „Und dabei schüttelten sich seine Zweige und warfen seine Knospen ab. Sie regneten herab, bedeckten den Waldboden und als sie sich öffneten, war das Volk der Akkato geboren. Samoor Dakkatay nahm sich Frauen unter dem Volk und begründete die Dynastie der Dakaatay, die hundert Generationen über unsere Welt herrschte, bis die Neue Zeit kam und mit ihr Verirrung Chaos. Unsere Welt lag im Sterben.“ Die letzten Worte knurrte er heraus und zischte einen Fluch hinterher.
„Und dieser Prophet?“, fragte Sargon interessiert.
„Limban Batrooky.“ Er sprach den Namen ehrfürchtig aus. „Er wählte den wahren König, der dem Chaos ein Ende machte. Einen Sohn aus dem Geschlecht des Samoor Dakkatay. Viele tausend Jahre wusste niemand wer den Lenden des Großen Herrschers entsprungen war und Viele beanspruchten die Herrschaft über Yanabor. Unter den Königen der Akkato gab es Hass und Uneinigkeit. Bis der Große Seher und Prophet Nunsay Kahaal zum König erwählte. Die Schriften hatten es ihm offenbart und er brachte unserer Welt den Frieden.“
„Nach endlosen Kriegen, nehme ich an.“
„Natürlich fanden sie ein Ende.“ Der Akkatofürst hatte inzwischen ein gutes Gespür für die spitzen Bemerkungen des jungen Menschen, der ihn schon seit Jahren auf seinen Feldzügen begleitete.
„Woher kam er?“, Porter rührte mit der Hand in der Luft herum, als müsse er seinen Gedanken Beine machen, „dieser …, dieser Prophet.“
„Er stammte aus dem Haus Batrooky. Ein Haus des Bösen und der Niedertracht.“ Er sah grimmig aus, als er das sagte. „Sie brachten ihrem Gott blutige Opfer dar. Verbrannten die Wälder um an Metalle unter deren Wurzeln heranzukommen.“ Der Akkato machte eine Pause, als müsse er die längst vergangenen Grausamkeiten verarbeiten, die in seinem Sinn zu Bildern geworden waren. „Seine Familie verstieß ihn. Doch all das geschah, weil sein Schicksal schon geschrieben war und Große Dinge vor ihm lagen.“ Dann hellte sich sein Gesicht auf. „Er wurde von Gott Otayn ausgewählt und durchwanderte Wüsten und Wälder. Er ging durch Kälte und Hitze, durch Finsternis und Einsamkeit, bis er Nunsay Kahaal fand. Er salbte ihn zum König und dann zog er aus, um alle anderen Häuser, die unsere Welt vergifteten, zu vernichten. In einem Sturmwind wurde unsere Welt neu geboren. Alle die nicht glaubten fanden den Tod. Die Schlangenfresser in den Bergen, die Feueranbeter und Kannibalen in den Grasländern und alle Stämme die in den Wäldern wohnten und dem König nicht huldigten.“
„Auch die Familie des Propheten?“, erkundigte sich Porter. Offenbar weniger skeptisch als angemessen, denn der Akkato quittierte seine Worte mit kritischen Augen.
„Auch diese!“, bekräftigte Ulan Mestray ohne bedauern. „Sie verdienten es nicht länger unter dem Schatten des Großbaumes zu leben.“
Dominic Porter nickte bedächtig. Es war eine effektive Methode sich seiner Feinde zu entledigen, das musste er zugeben. Dieser Prophet musste ein nachtragendes Wesen gehabt haben und einen Hang zur Rache, der selbst vor der Familie keinen Halt machte, wie bei vielen religiösen Fanatikern. Es war schwierig gegen einen König zu bestehen, den ein Gott geheiligt hatte. Zweifel im Herzen der Feinde, Glauben in denen der Gefolgsleute. Es wurde immer gefährlich, wenn die Religion die Politik entdeckte oder umgekehrt. Zu viele Visionen zu viele Emotionen. Zu wenig Klarheit, zu wenig Geist. Als Porter zu den Sternen aufgebrochen war, dachte er diese Irdische Verirrung, mitsamt dem Planeten, der sie hervorgebracht hatte hinter sich zu lassen. Aber die Anzahl abstruse Glaubensvorstellungen wuchs mit der Menge an Völkern, die er zwischen den Sternen kennen lernte. „Sehr aufschlussreich“, murmelte Porter, während er über den Propheten nachdachte. „Eine sehr praktische Lösung. Das wird sogar die Götter überrascht haben, und es hatte nicht einmal ein Mensch dabei die Hand im Spiel.“ Er grinste breit.
Der Akkato hatte die Doppeldeutigkeit der Worte auch diesmal bemerkt, ging aber nicht weiter darauf ein. Er bedachte das Kind – denn nichts andres waren die kurzlebigen Menschen in seinen Augen – nur mit einem mitleidigen Blick.