NOMADS 13 – Leseprobe!
Der Schlag, der durch die Durana fuhr, ließ das Dämmfeld komplett versagen. Sirene und Stimme verstummten. Die Beleuchtung flackerte und erlosch. Dunkelheit breitete sich aus, während die Wucht des Aufpralls Sandra auf den Boden drückte. Gegenstände fielen von der Decke wie Herbstlaub, das einschlug als seien es Hagelkörner. Sandra brauchte mehrere Versuche, bis sie es schaffte, auf die Füße zu kommen und weiterzulaufen. Sie sah, die Rampe des Schiffes zuklappen, wie der Unterkiefer eines Sauriers. Das Schiff schwebte einige Meter in die Höhe, woraufhin die Triebwerke aktivierten. Das Brummen der Motoren übertönte den Lärm, den das Inferno im Hangar verursachte. Sandra konnte nichts mehr tun. Nur noch zusehen, wie das Fahrzeug an Geschwindigkeit gewann und davonflog. Es verschwand im Nebel, der sich zu lichten begann.
Andere Schiffe starteten. Vier, fünf, sechs. Die Basis blieb zurück. Die Amber, jener Kreuzer, dessen Brücke über alle anderen Schiffe hinausragte und den Hangar überblickte. Longhill Stützpunkt. Sandra wusste, dass der Captain nicht eher starten würde, bis er alle seine Leute in Sicherheit wusste. Sie rannte, so schnell sie konnte, um nicht zurückgelassen zu werden. Durch das Getöse horchte sie konzentriert auf das charakteristische Brummen, das dem Zünden von großen Triebwerken vorausging. Noch war die Rampe am Bug des Kreuzers ausgefahren. Nichts deutete auf einen bevorstehenden Start hin. Es lagen noch gut dreihundert Meter vor ihr. Irgendwo hob eine weitere Einheit ab und entfernte sich. Hinter ihr, glaubte sie das Keuchen der Kannibalen zu hören. Sie rechnete jede Sekunde damit, unter Feuer genommen zu werden. Ohne Okka war sie blind, taub und unsicher. Die völlige Abwesenheit des Splinters in dieser Kampfsituation war völlig neu für sie. Es fühlte sich eigenartig und beängstigend an. Ein altes und doch neues Gefühl. Es machte ihr Angst. Sandra begriff, dass das Leben als Looner eine Herausforderung bedeutete. Noch konnte sie nicht in allem Umfang nachvollziehen wie es Moore mit seinem Dasein als Looner ging, aber der Vorgeschmack darauf war schon bitter genug.
Irgendwo im Bauch der Durana gab es eine Detonation. Der dumpfe Schlag war als leichte Erschütterung zu spüren, die einen harmlosen Eindruck machte. Sandra war erfahren genug, um zu wissen, dass genau das Gegenteil der Fall war. Sie nahm ihre letzten Kraftreserven zusammen und sprintete auf den Kreuzer zu. Das kaum wahrnehmbare Brummen, seiner hochfahrenden Turbinen, kitzelte Sandras Magengrube. Das Brummen steigerte sich rasch zu einem Heulen. Longhill leitete einen Notstart ein. Noch immer war die Rampe geöffnet. Sandra sah einen Mann am oberen Ende der Rampe stehen. Er hatte Sandra entdeckt und winkte sie heran. Seine Armwedelei bedeutete ganz offensichtlich, sie solle sich beeilen.
Soll das ein Witz sein, fragte sie sich? Denkt der ich gehe gerade hier spazieren?
Das Heulen mündete in das Poltern startbereiter Triebwerke. Durch das Dröhnen vernahm Sandra das Zischen des pneumatischen Getriebes. Das Geräusch von Zylindern, die ent- und belüftet wurden.
Sandra hörte den Mann rufen. „Schneller! Schneller!
„Mach ich doch!“, schrie Sandra zurück.
Die Rampe war nur noch ein paar Meter entfernt. Eine kurze Distanz, die in Sandras Augen wie ein Tagesmarsch wirkte. Das Schiff schaukelte auf seinen Landebeinen. Gleich würde es starten. Die Rampe begann sich zu heben. Sandra fluchte und aktivierte ihre verblieben Energiereserven. Sie sprang, als der Kreuzer sich vom Boden löste und pralle mit der Brust gegen die Kante der Rampe, an der sie baumelte. Sandra krallte sich in den Bodengittern fest, aber es gelang ihr nicht, sich hineinzuziehen.
Der unbekannte Soldat war zur Stelle, packte sie am Arm und zog sie zu sich, während das Schiff an Höhe gewann. Die Beschleunigungskräfte taten ihr Äußerstes, Sandra und ihren Helfer hinaus in den Hangar zu schleudern. Der Mann schaffte es trotz allem, Sandra festzuhalten und Stück für Stück ins Innere zu ziehen. Sie schwang ihr Bein über die Kante, und rollte im nächsten Moment über die Lauffläche der Laderampe, die in ihrer Halterung einrastete.
„Glück gehabt!“, schrie der Mann gegen das Wimmern einer Sirene an, das den Notstart begleitete. „Willkommen an Bord.“
„Scherzbold“, zischte Sandra. „Aber Danke.“
„Mal sehen, wo es jetzt hingeht. Ich habe nicht damit gerechnet, die alte Erde je wiederzusehen.“
Sandra rappelte sich auf. Die gravimetrischen Dämpfer arbeiteten zwar, aber sie konnte fühlen, dass der Kreuzer gerade einen wilden Ritt absolvierte.
„Zuhause!“ Sandra spuckte das Wort förmlich aus. „Zuhause brennt es mal wieder und wir sind mitten drin.“
Der Mann deutete auf einen der Notsitze an den Wänden. „Suchen Sie sich einen Platz, bis wir wieder in ruhigeres Gewässer einfahren.“
Sandra hatte keine Lust darauf, festgeschnallt auf einem der Sitze darauf zu warten, was passierte. „Ich weiß schon, wo ich sein muss.“
Sie machte sich auf den Weg zur Krankenstation, wo Moore in seiner Kiste lag. Sandra musste wissen, in welcher Verfassung er jetzt war. Besonders wie es ihm während des Angriffes seiner Brüder entgangen war.
Sie eilte durch die Korridore und erreichte schließlich die Krankenstation. Doc Warden stand an einer Pritsche und verabreichte einem verwundeten Soldaten eine Injektion.
„Wie geht es Moore“, verlangte Sandra von Doc Warden zu erfahren.
Der Doktor sah Sie mit gerunzelter Stirn an. „Weiter hinten. Ganz weit hinten, um genau zu sein.“
Sandra eilte durch die Krankenstation. In einer Kammer für allerlei medizinisches Gerät lag die Transportkiste, in der sich Moore befand. Sie war ziemlich verbeult. Es sah so aus, als hätte Moore sich zu befreien versucht. Jetzt schien er erschöpft. Jedenfalls hörte Sandra weder das Schlagen von Fäusten gegen den Deckel der Kiste, noch das zornige Gekreische, das die Mutanten von sich gaben. Erstickt war er gewiss nicht, denn die Symmetrie der Kiste hatte gelitten und ihre Fugen schlossen nicht mehr dicht.
„Wagen Sie nicht, das Ding zu öffnen“, warnte Doc Warden, der hinter Sandra stand und eine Pistole auf ihren Kopf richtete.
Sandra rang um Fassung. „Sie würden mich echt erschießen?“
„Sie lassen mir keine Wahl, wenn Sie das versuchen.“
Sandra entriegelte die Verschlüsse des Containers und klappte den Deckel hoch. Es fiel kein Schuss und Doc Warden steckte seine Waffe in den Holster an seinem Gürtel.
„Sie sind Doc, Doc“, meinte Sandra und betrachtete Moore, der reglos in seinem Sarg lag, wie ein Vampir, der jeden Moment mit Blutdurst erwachen konnte. „Hätte mich gewundert, wenn Sie geschossen hätten.“
Doc Warden knurrte. „Wir haben uns alle verändert. Nicht nur ihr Kumpel in seiner Kiste. Ich habe uns alle in Gefahr gebracht.“
„Verdammter Hippokratischer Eid.“
„Der ist in der alten Form seit über dreitausend Jahren nicht mehr gültig.“ Warden gesellte sich zu Sandra und begann Moore zu untersuchen, indem er ihm mit einem Lichtstab in die Augen leuchtete und seinen Puls fühlte. Indes wurde das Schiff von Turbulenzen oder Treffern durchgeschüttelt. „Ich fühle mich an die Ärztliche Konvention der Solaren Konferenz von 3.342 gebunden. Da gibt es einen Passus über Mutationen oder genetisch-künstlich modifizierten Personen. Von Monstern ist da zwar nicht die Rede, aber davon ist…“, er wedelte mit der Hand über das Gesicht des Soldaten.
„Moore.“
„Davon is Moore noch weit entfernt.“
Moore kam zu sich. Er sah sich irritiert um. In seinem Blick konnte Sandra Angst und aufkeimende Panik erkennen. „Haben sie einen Energieriegel?“
„Warden kramte in den Taschen seines Kittels herum und förderte einen angebissenen Kohlehydratbarren zutage. Moore packte den Riegel und verschlang ihn gierig. Sandra zog ihre Tagesration an Kraftnahrung aus der Gürteltasche und gab sie ihrem Freund.
Sandra deutete auf die Beulen und Blutspuren im Deckel der metallenen Kiste. „Was glauben Sie, wie anstrengend es ist einen Frachtcontainer derart zuzurichten.“
„Ich muss mich um seine Hände kümmern“, meinte Warden besorgt. „Die Knöchel sind gewiss gebrochen.“ Er sah Moore mit prüfendem Blick an. „Wie geht es Ihnen?“
Moore benötigte einige weitere Momente, bis er sich genügend gesammelt hatte, um zu antworten. „Ich habe geträumt. Es war schrecklich.“
„Ich meine“, fuhr Warden fort, „Wie sieht es mit ihrem Aggressionspotenzial aus? Wollen Sie uns noch alle umbringen?“
Moore richtete sich auf. Er hatte Schmerzen. „Ich will erst mal weiterschlafen.“
„Wir sorgen dafür, dass Sie es bequem haben.“
Sandra und Warden hoben Moore aus dem Behälter. Als sie die Kammer verlassen wollten, stand ihnen eine Gruppe von Männern und Frauen im Weg.
„Was soll das jetzt?“, fragte Warden.
„Das wissen Sie ganz genau“, gab ein Mann zurück, der sich im Türrahmen aufgebaut hatte. „Wo wollen Sie hin mit diesem Ding.“
„Dieses Ding ist ein Mensch.“
„Wenn das so ist“, keifte eine Frau mit einer blutigen Bandage um die Stirn. „Warum benimmt er sich dann nicht so?“
„Wie benimmt er sich denn?“
Niemand antwortete.
Warden drehte sich zur Seite. „Hier. Nehmen Sie meine Knarre und pusten sie ihn weg. Würde mir eine Bürde von der Schulter nehmen.“
Der Mann in der Türe schien mit dem Gedanken zu spielen, das Angebot anzunehmen.
„Zweifel?“
Warden und sein Gegenüber wechselten Blicke. Es dauerte einige Sekunden, dann gab der Mann den Weg frei.
„Bewahren Sie sich ihr Menschsein“, bemerkte Warden, als sie die Gerätekammer verließen.
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NOMADS – Reading Example – English (raw)
The blow that passed through the durana caused the damping field to fail completely. The siren and voice fell silent. The lights flickered and went out. Darkness spread as the force of the impact pinned Sandra to the floor. Objects fell from the ceiling like autumn leaves hitting as if they were hailstones. It took Sandra several tries before she managed to get to her feet and continue walking. She saw the ramp of the ship slam shut like the lower jaw of a dinosaur. The ship hovered a few feet in the air, whereupon the engines activated. The hum of the engines drowned out the noise of the inferno in the hangar. Sandra could do nothing more. Only watch as the vehicle gained speed and flew away. It disappeared into the fog, which began to clear.
Other ships took off. Four, five, six. The base remained behind. The Amber, that cruiser whose bridge towered over all the other ships and overlooked the hangar. Longhill Base. Sandra knew the captain would not launch until he knew all his people were safe. She ran as fast as she could to avoid being left behind. Through the din, she listened intently for the characteristic hum that preceded the firing of large engines. The ramp on the cruiser’s bow was still extended. Nothing indicated an imminent launch. There was still a good three hundred meters ahead. Somewhere, another unit lifted off and moved away. Behind her, she thought she heard the cannibals panting. She expected to be taken under fire any second. Without Okka, she was blind, deaf and uncertain. The complete absence of the Splinter in this combat situation was completely new to her. It felt strange and frightening. An old and yet new feeling. It scared her. Sandra understood that being a Looner was a challenge. She couldn’t yet comprehend to the fullest extent how Moore was faring with his existence as a Looner, but the taste of it was bitter enough. Somewhere in the Durana’s belly there was a detonation. The dull thud was felt as a slight vibration that made an innocuous impression. Sandra was experienced enough to know that exactly the opposite was the case. She mustered her last reserves of strength and sprinted toward the cruiser. The barely perceptible hum of its turbines powering up tickled the pit of Sandra’s stomach. The hum quickly increased to a howl. Longhill initiated an emergency takeoff. Still the ramp was open. Sandra saw a man standing at the top of the ramp. He had spotted Sandra and was waving her over. His arm waving obviously meant she should hurry. Is this a joke, she wondered? Does he think I’m walking here right now?
The howling led to the rumble of engines ready to take off. Through the roar, Sandra heard the hiss of the pneumatic transmission. The sound of cylinders bleeding and venting.
Sandra heard the man call out. „Faster! Faster!
„I am!“ shouted Sandra back.
The ramp was only a few feet away. A short distance that seemed like a day’s walk in Sandra’s eyes. The ship rocked on its landing legs. In a moment it would take off. The ramp began to lift. Sandra cursed and activated her remaining energy reserves. She jumped as the cruiser broke free of the ground and bounced her chest against the edge of the ramp she was dangling from. Sandra clawed at the floor bars, but failed to pull herself in.
The unknown soldier was on hand, grabbing her by the arm and pulling her toward him as the ship gained altitude. The acceleration forces did their utmost to hurl Sandra and her helper out into the hangar. Despite everything, the man managed to hold on to Sandra and pull her inside, inch by inch. She swung her leg over the edge, and in the next moment rolled over the tread of the loading ramp, which snapped into place in its mount.
„Lucky!“ the man yelled against the wail of a siren that accompanied the emergency launch. „Welcome aboard.“
„Joker,“ Sandra hissed. „But thank you.“
„Let’s see where we’re going now. I didn’t expect to ever see old Earth again.“
Sandra scrambled to her feet. The gravimetric dampers were working, but she could sense that the cruiser was about to take a wild ride.
„Home!“ Sandra literally spat out the word. „There’s another fire at home and we’re in the middle of it.“
The man pointed to one of the makeshift seats against the walls. „Find a seat until we get back into calmer waters.“
Sandra had no desire to be strapped into one of the seats waiting to see what happened. „I already know where I need to be.“
She made her way to the infirmary, where Moore lay in his crate. Sandra needed to know what kind of shape he was in now. Especially how it had escaped him during his brothers‘ attack.
She hurried through the corridors and finally reached the infirmary. Doc Warden was standing at a cot administering an injection to a wounded soldier. „How’s Moore,“ Sandra demanded to know from Doc Warden.
The doctor looked at her with a furrowed brow. „Further back. Way in the back, to be exact.“
Sandra hurried through the infirmary. In a chamber for all sorts of medical equipment was the transport box Moore was in. It was pretty beat up. It looked as if Moore had tried to free himself. Now he seemed exhausted. In any case, Sandra did not hear the pounding of fists against the lid of the crate, nor the angry shrieks that the mutants were making. He certainly had not suffocated, for the symmetry of the crate had suffered and its joints no longer closed tightly.
„Don’t you dare open that thing,“ warned Doc Warden, standing behind Sandra and pointing a pistol at her head.
Sandra struggled to keep her composure. „You’d really shoot me?“
„You leave me no choice if you try that.“
Sandra unlocked the container’s latches and flipped up the lid. No shot rang out, and Doc Warden tucked his gun into the holster on his belt.
„You’re Doc, Doc,“ Sandra commented, looking at Moore, who lay motionless in his coffin, like a vampire that could awaken at any moment with a thirst for blood. „I’d have been surprised if you’d fired.“
Doc Warden growled. „We’ve all changed. Not just your buddy in his box. I put us all in danger.“
„Damn Hippocratic Oath.“
„It hasn’t been in its old form for over three thousand years.“ Warden joined Sandra and began examining Moore, shining a light stick into his eyes and feeling his pulse. Meanwhile, the ship was buffeted by turbulence or hits. „I feel bound by the Solar Conference Medical Convention of 3,342. There’s a passage there about mutations or genetically-artificially modified persons. It doesn’t say anything about monsters, but that’s…“ he waved his hand over the soldier’s face.
„Moore.“
„Moore is a long way from that.“
Moore came to. He looked around in irritation. In his gaze, Sandra could see fear and budding panic. „Do they have an energy bar?“
„Warden rummaged around in the pockets of his coat and unearthed a bite-sized carbohydrate bar. Moore grabbed the bar and greedily devoured it. Sandra pulled her daily ration of power food from her fanny pack and handed it to her friend.
Sandra pointed to the dents and bloodstains in the lid of the metal box. „How exhausting do you think it is to dress up a cargo container like that.“
„I’ll have to take care of his hands,“ Warden said anxiously. „The knuckles are certainly broken.“ He looked at Moore with a searching gaze. „How are you?“
It took Moore a few more moments before he collected himself enough to answer. „I had a dream. It was terrible.“
„I mean,“ Warden continued, „what about your potential for aggression? Are you still going to kill us all?“
Moore straightened up. He was in pain. „I want to get back to sleep first.“
„We’ll make sure you’re comfortable.“ Sandra and Warden lifted Moore out of the container. As they were leaving the chamber, a group of men and women stood in their way.
„What is this now?“ asked Warden.
„You know damn well,“ returned a man who had set up in the doorway. „Where are you going with that thing.“
„That thing is a human being.“
„If it is,“ a woman with a bloody bandage around her forehead nagged. „Then why doesn’t he act like it?“
„How is he acting?“
No one answered.
Warden turned to the side. „Here. Take my gun and blow him away. Would take a load off my shoulder.“
The man in the doorway seemed to be toying with the idea of accepting the offer. „Doubt it?“
Warden and his counterpart exchanged glances. It took a few seconds, then the man gave way.
„Keep your humanity,“ Warden remarked as they exited the equipment room.
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